Expertenansichten und alternative Lösungen
Matthias Günther vom Pestel - Institut stellt fest, dass der reine Neubau nicht ausreicht, um die Wohnungsprobleme in Deutschland zu lösen. Er schätzt, dass bis zu 2,7 Millionen neue Wohnungen durch Aufstockungen existierender Mehrfamilienhäuser geschaffen werden könnten. Diese Methode könnte auch auf leerstehenden Supermärkten sowie Büro - und Verwaltungsgebäuden angewendet werden. Doch Ulla Basquè, eine Architektin, weist auf praktische Hürden hin, wie strenge Bauvorschriften und einen Mangel an Parkplätzen, die solche Projekte oft scheitern lassen.
Bau im Bestand als klimapolitische Maßnahme
Daniel Fuhrhop, Wirtschaftswissenschaftler, und Tim Driedger von Architects for Future betonen, dass Bauen im Bestand klimafreundlicher ist, da kaum neue Flächen versiegelt werden. Dies ist besonders relevant, da etwa 40 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen aus dem Baubereich stammen. Die Sanierung existierender Gebäude ist oft umweltverträglicher als Neubauten, selbst wenn diese als Passivhäuser errichtet werden.
Aufteilung bestehender Gebäude
Eine weitere Möglichkeit, Wohnraum zu schaffen, bietet die Aufteilung bestehender Häuser in mehrere Einheiten. Matthias Günther erklärt, dass dies besonders bei ehemaligen Zweifamilienhäusern, die nun als Einfamilienhäuser genutzt werden, oft problemlos möglich ist. Allerdings könnte es bei anderen Gebäuden schwieriger sein, da möglicherweise neue Versorgungsleitungen benötigt werden.
Nutzung "unsichtbaren" Wohnraums
Daniel Fuhrhop schlägt vor, den in Deutschland vorhandenen "unsichtbaren Wohnraum" besser zu nutzen. Dabei geht es um die große Zahl an Wohnungen, in denen auf großer Fläche nur wenige Personen leben. Eine Möglichkeit wäre die Untervermietung ungenutzter Zimmer, ein Modell, das in Städten wie Brüssel bereits erfolgreich ist.
Wohnungstausch als innovative Lösung
Der Verband Wohnen im Eigentum (WiE) und das Portal Tauschwohnung haben festgestellt, dass ein Tausch von Wohnungen für viele eine attraktive Option darstellen könnte. John Weinert berichtet, dass die Tauschaktivitäten zunehmen, aber immer noch häufig an den Vermietern scheitern, die oft die Mieten nach einem Wechsel erhöhen. Er fordert deshalb die Einführung eines gesetzlichen Rechts auf Wohnungstausch und mehr Unterstützungsangebote für ältere Menschen.
Die Lösung der deutschen Wohnungsnot erfordert eine Kombination aus Neubau, intelligenter Nutzung bestehender Strukturen und gesetzgeberischen Anpassungen. Initiativen wie die Aufstockung, der Umbau und die bessere Nutzung des vorhandenen Wohnraums sind nicht nur klimapolitisch sinnvoll, sondern oft auch kostengünstig. Es bleibt jedoch entscheidend, dass sowohl der politische Wille als auch praktische Unterstützungsmechanismen vorhanden sind, um diese Potenziale voll auszuschöpfen.
Quelle: Siegener Zeitung